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Jubiläumsgrat - worth the Hype?


Vorwort

Der Jubiläumsgrat, jene 5 Km lange Verbindungslinie zwischen der Zugspitze und der Alpspitze gilt als eine der schönsten Touren in den Bayerischen Alpen. Als Alpinist muss man den “Jubi” einfach mal gemacht haben, hört man.

Vom Jubiläumsgrat habe ich das erste mal vor über 10 Jahren gehört. Ein Freund meines Vaters erzählte, dass er diesen in der Jugend als Tagestor von Ehrwald nach Garmisch und mit dem Fahrrad zurück in über 20 Stunden angegangen war. Damals für mich ein unvorstellbares Unterfangen erinnerte ich mich im letzten Jahr daran. Nachdem ich im Februar 2017 endlich das Laster Rauchen abgelegt hatte und strukturiert zu trainieren begann, wurde ein solches Unterfangen plötzlich realistisch. Was den Zeitrahmen betrifft hatte ich andere Vorstellung. Als obere Schallmauer setzte ich mir 10 Stunden. Start und Zielpunkt sollte Hammersbach sein und den Jubiläumsgrat wollte ich im Abstieg begehen von der Zugspitze her, da so die meisten Höhenmeter bereits absolviert waren bevor es auf den Grat ging. Geplant war die Tour ursprünglich für September 2017 im Rahmen meines Projektes Joinmyadventure (Besteigung der höchsten Gipfel der 7 Alpenländer, wenn möglich als Tagestour vom Tal aus). Die ausgiebigen Neuschneemengen damals liessen aber nicht einmal daran denken, dies zu verwirklichen.

Mitte Juni sah ich auf Strava, dass ein paar Athleten der Trailrunningszene eben jene Tour gemacht hatten. Die Bedingungen schienen also perfekt zu sein. Fehlte nur mehr die Zeit, einen Ausflug in die heimischen Gefilde zu machen.

01.07.2018 04:44 Uhr

Nach mittelmässig erholsamen 3,5 Stunden Schlaf in meinem Bus mache ich mich früh morgens auf den Weg nach Hammersbach. Der Startschuss fällt um 04:44 Uhr.

Zunächst renne ich die Strasse entlang bevor ich rechts auf die Forststrasse Richtung Höllental abbiege. Die Stimmung ist wunderschön, es herrscht absolute Ruhe, abgesehen des Plätscherns des Baches. Ich finde einen guten Rhythmus und überhole bis zum Beginn der Höllentalklamm 15 andere Bergsteiger. Die meisten erschrecken, als ich im Laufschritt an ihnen vorbeihusche. Der Himmel färbt sich derweil langsam rosa und nach 45 Minuten erreiche ich die Höllentalangerhütte. 15 Minuten später stehe ich am Beginn des ersten Klettersteigteils. Die aufgehende Sonne verwandelt das Tal in einen mystischen Ort, während ich den Klettergurt montiere nehme ich mir die Zeit für ein paar Fotos.

Flink geht es hinauf den Seilen entlang, am Brett klinke ich mich kurz am Seil ein, um unbeschwert noch ein paar Bilder zu schiessen. Nach diesem Teil und der anschliessenden Kraxelpassage folge ich dem teils schottrigen bis sandigem Weg bis zum Höllentalferner. Dies empfinde ich immer als den mühsamsten Teil dieses wunderschönen Anstieges. Immerhin kann ich am Bach noch meine Wasserreserve auffüllen.

Am Gletscher herrscht perfekter Trittschnee, die Grödel bleiben im Rucksack und rasch stehe ich am Beginn des zweiten Klettersteigteils. Mit guter Kenntnis des Routenverlaufs komme ich gut voran und erreiche nach exakt 3h Stunden den höchsten Punkt Deutschlands, eingepackt in dichten Nebel. Puh, zum Glück bin ich nicht früher gestartet, schöne Shots vom Sonnenaufgang wären hier definitiv nicht drin gewesen. Ich checke nochmals kurz das Wetter sowie die Höhe auf meiner Uhr. Weiterhin Hochdruckwetter und beste Prognosen für den gesamten Tag, nach kurzen Überlegen entschliesse ich mich, das Abenteuer durchzuziehen.

Start nach 03:15 h an der Zugspitze. Ich flitze vorbei am Schild mit grossen Lettern “JUBILÄUMSGRAT - nur für geübte Kletterer”, die Sicht ist weiterhin dürftig. Sichtweite 5 - 10 Meter, da sieht man wenigstens nicht, wie weit es runter geht…

Zunächst gleicht der Weg einer Wanderautobahn, doch nach wenigen hundert Metern taucht plötzlich rechts eine Gratschneide auf. Oben drauf ein wenig Altmetall, doch links ziehen frische Fussspuren in die Flanke. Ich lasse mich verleiten und bleibe in der Flanke. Dumme Idee wie sich herausstellt. Nach wenigen Metern klettere ich, begleitet von Schimpftiraden, in brüchigem Fels in oberen 2 Grad zurück auf die Gratschneide. Oben finde ich sofort die blassen Roten Markierungen sowie einen wenig vertrauenswürdigen Bohrhaken. Check, Route gefunden. Der Weg folgt nun nun immer der Gratschneide entlang, mal mehr, mal weniger exponiert, bevor man zur berüchtigten Platte gelant. Oben befindet sich ein guter Abseilring, sofern man denn ein Seil mitführt, eine gute Option. Ich klettere die Rinne hinab, 2 Eisenstangen erleichtern das Unterfangen, doch anschliessend steht man auf abgeschlieffenen Tritten über einem eindrücklichen Abgrund. Weiter abketten will ich hier nicht, rechts sieht das Gelände deutlich angenehmer aus, die Querung dorthin mittelmässig. Vorsichtig gelange ich auf sicheren Boden. Anschliessend folgen ein paar leichtere Kletterstellen im Auf- wie Abstieg, dort überhole ich die ersten Seilschaften, welche frühmorgens vom Zugspitzgipfel gestartet sind. An einem Turm gilt es etwas luftig 3 Meter abzuklettern, die Felsqualität ist allerdings gut. Oben hätte es wieder einen Abseilhaken, der mir aber ohne Seil nichts nutzt.

Nach dieser Stelle folgt nettes Kraxelgelände, die Markierungen sind meistens gut, gerade aber bei Umgehungen nicht immer leicht zu finden. Die nächste Seilschaft leistet sich einen Verhauer, so ziehe ich flugs an ihnen vorbei. Nach etwa einem Gratdrittel merke ich die Folgen des Verzichts auf Nahrungsaufnahme. Kurz unterhalb eines der unzähligen Gipfel nehme ich mir 15 Minuten Zeit, einen Riegel und einen halben Liter Wasser zu mir zu nehmen.

Der Weiterweg gestaltet sich zunächst schleppend, wie in Trance überklettere ich Turm um Turm, zeitweise überhole ich andere Seilschaften. Nach einer halben Stunde kommt langsam die Energie an und ich komme wieder zügiger voran. Ich passiere de Abzweig zur Knorrhütte und folge weiter dem Gratverlauf. Die Aufstiege sind ab dem mittleren Drittel mehrheitlich mit Seil versichert, somit gestaltet sich die Wegfindung hier deutlich einfacher. Als ich das Biwak erreiche und einen Kurzen Blick hineinwerfe, sehe ich einen anderen Berggänger, noch minimalistischer als ich ausgerüstet heraneilen.

Flugs mache ich mich auf den Weiterweg und nach 2 weiteren Gipfel erreiche ich die wilde Volkarspitze. Der erste Anstieg, ein spitzer Turm schaut auf den ersten Blick giftig aus. Bei genauerem Hinsehen folgt der Steig einem gut gestuften Riss, der Abstieg ist dann ebenfalls zahm. Die Volkarspitze selbst ist bis auf die ersten 4 Meter nur mässig Steil und mit haufenweisen Stufen entschärft. Dennoch klinke ich hier kurz meinen Karabiner ein, zumindest für den Kopf. Nach dem anschliessenden Abstieg erreiche ich bald des Ende des eigentlichen Grates, von wo die Umgehung des Hochblassen nach links zieht. 2 Bergsteiger machen hier gerade Pause und erkundigen sich, wieviele Seilschaften noch folgen. Etwa 10 antworte ich. Den Hochblassen lasse ich aus, der Anstieg ist mir nicht bekannt und ich will so oder so nochmals wiederkommen um Blassen- und Jubiläumsgrat zu kombinieren. Nach dem Erreichen der Grieskarscharte folge ich dem kurzweiligen Steig hinauf zum Gipfel der Alpsitze und finde mich in einer grotesk anmutenden Menschenmenge wieder.

Der Abstieg über die Alpspitzferrata übertrifft das ganze fast noch, mir kommen sicherlich 50 Menschen entgegen. Der Steig ist einfach, daher kann ich die Massen gut jenseits der Seilversicherungen umgehen. Mein Outfit und Fortbewegungsstil stösst hier mehrheitlich auf Unverständnis, Trailrunning respektive Skyrunning ist hier scheins noch mit en Vogue. Nach Passieren der Bergstation der Alpsitze, welche ich nach Nachfragen gefunden habe (Tolle Idee, nur nach oben hin zu beschildern…) folge ich wunderschönen Flowtrails hinab zur Höllentalangerhütte. In Anbetracht eines Bads sowie ein paar schönen Fotos habe ich mich für diesen Abstieg entschieden.

An der Hütte ist wiederrum die Hölle los, passend zum Tal. Es scheint als ob halb München an diesem Sonntag das Ausflugsziel Höllental ausgewählt hat, und genau so fühlt sich der Trubel für mich an, nach so vielen friedichen Stunden in dieser wunderschönen Umgebung. Janu, das ist halt so an solchen Plätzen. Nach einigen aklrobatischen Überholmanövern (die Begeisterung der Anwesenden Wanderer bezüglich Trailrunning hielt sich in engen Grenzen) springe ich an geeignetem Ort kurz in den Bach. Welch eine Wohltat nach über 8 Stunden.

Anschliessend geniesse ich die Klamm nochmals und erreiche nach 09:23 h mein Auto in Hammersbach.

Route facts:

Ca 35 Km - 3100 hm

Material:

1x Schraubkarabiner

1x längenverstellbare Expressschlinge

Funktionsshirt langärmlig

1x Daunenjacke

1x dünne Windjacke

1x Ersatzschirt

3x Cliffbar Riegel

1,5 L Iso

Armlinge

Gopro und Kopfhalterung

DSLR (Canon 5d mit 24-70 F2,8)

Fazit:

Der Jubiläumsgrat ist eine schöne Tour, gerade im ersten Teil noch richtig wild und alpin. Für den Gelegenheits- wald-und -wiesenwanderer definitiv nur mit Bergführer zu empfehlen. Ab dem zweiten Gratdrittel mehren sich die Klettersteigstellen und die Schwierigkeiten nehmen deutlich ab. Die berüchtigte Volkarspitze habe ich sehr harmlos wahrgenommen, Schlüsselstelle ist die Platte am Anfang. Lang ist der Grat auf jeden Fall, gerade im Bereich der Biwakhütte hat es allerdings viel Gehgelände, Potential zum Runterfallen hat es aber durchaus an diversen Stellen. Sicherlich eine Schöne Tour, gerade in Kombination mit dem Anstieg durch das Höllental. Für die meisten dennoch als Zweitagesunternehmung zu empfehlen mit Übernachtung auf Deutschlands höchstem Punkt. "Normale" Wanderer benötigen für das Höllental ca 5-6 stunden, die Gleiche zeit in Etwa für den Jubiläumsgrat. Vom Ende des Grates sollten dann nochmals 1 bis 2 Stunden bis zur Bahnstation veranschlagt werden.

Nachwort:

Wer den Jubiläumsgrat in diesem Stil begehen will, sollte sicher im 3 Grad auf- wie abketten können. Eine ausreichende Fitness versteht sich von selbst. Wer sich das unten eingefügte Video ansieht, bekommt vielleicht das Gefühl, der Protagonist (also ich) handelt in höchstem Masse fahrlässig. Das liegt zum einen daran, dass für viele Bergsteigen in Turnschuhen einem Staatsdelikt gleicht. Allerdings sind Turnschuhe im Kraxelgelände deutlich besser von der Haftung, zum anderen möchte ich keine 35 Kilometer in schweren Bergschuhen absolvieren. Ganz abgesehen davon betreibe ich diese Art von Bergsteigen seit mehreren Jahren und bewege mich mehrfach wöchentlich in teils deutlich schwierigerem Gelände mit diesem Material. Das heisst, blauäugiges Nachahmen des gezeigten ist hier defintiv fehl am Patz, eine entsprechende Vorbereitung (Technik, Fitness etc.) angebracht. Nicht Umsonst gibt es regelmässig Unfälle auf dieser Route. Es braucht definitiv Erfahrung im alpinem Gelände, die Routenfindung ist nicht immer trivial, sofern man sich nicht regelmässig in eben solchem Gelände bewegt. Im technischen Gelände muss man ein gutes Mass aus Geschwindigkeit und Sicherheit finden, sonst endet ein solcher Ausflug fatal. In diesem Sinne, stay safe und have fun!

“Der beste Bergsteiger ist derjenige, der am meisten Spass hat” Alex Lowe

Maximilian Gierl


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