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AutorenbildMaximilian Gierl

S Ü D L E N Z | L E N Z S P I T Z E 4294m Nordwand

Aktualisiert: 21. Apr. 2022

Der letzte 4000er der Schweiz würde die Lenzspitze mit Ihren 4294m werden und lange ging ich davon aus, dass der Ostgrat der Weg sein würde welcher für mich zum Gipfel führt. Doch nachdem ich aus diversen Quellen erfahren hatte, dass die Nordwand unglaubliche Verhältnisse haben sollte entschieden wir uns für die steile Variante. Respekt hatte ich gehörig, doch wenn es tatsächlich eine tiefe Spur haben sollte würde das die einfachste Variante sein. Nach dem Schreckhorn war es (müdigkeitsbedingt...) unmöglich direkt am Folgetag eine Tagesaktion zu starten und so fanden wir am Montag einen Platz auf der Mischabelhütte. Montag würde es noch eine kleine Kaltfront geben, dennoch war ich optimistisch dass es der Wand nicht allzuviel anhaben würde. Die Firnlage sollte so gut sein dass die ausgetretene Spur von 20 Seilschaften in den letzten Tagen noch vorhanden sein dürfte


Mit der ersten Bahn liessen wir uns hinauf zum Hannig chauffieren und genossen in aller Ruhe das Panorama während langsam bereits Quellwolken und Nebel aufzogen.


Nach rund 2 h erreichen wir die Hütte und geniessen die Stille und später das bunte Treiben. Wie immer ist die Gastfreundschaft phänomenal und das Abendessen steht dieser in keiner Weise nach. Die Abendstimmung ist bombastisch und gibt den Blick frei auf die Nordost Wand die von hier abartig steil aussieht, aber die Firnlage scheint ideal zu sein. Ich gehe im Kopf nochmal die Technik durch, beruhige mich dass ich solch steile Wände schon alleine dirchstiegen habe. Einfach noch nie 500hm aber wenn ich es 300hm kann, dann auch 500, 494m um genau zu sein.


Der Abend wird erwartungsgemäss kurz und so finde ich mich um 20 vor 9 bereits eingepackt im Hüttenschlafsack und schreibe diese Zeilen. Nach langem hin und her Wälzen finde ich irgendwann den Schlaf und wache um 02:28 von einem Fingertipp von Tobias auf. Der Wind pfeift ordentlich um die Hütte während ich meine 7 Sachen packe. Ich lasse mir Zeit, sortiere alles und wir frühstücken gemütlich sicher eine halbe Stunde lang. Nachdem die Schuhe angelegt sind treten wir in die stockdunkle Nacht hinaus, der Wind scheint etwas nachgelassen zu haben und so machen wir uns an den Aufstieg. Bald legen wir die Steigeisen an und steigen angeseilt den Gletscher empor. Je höher wir steigen desto heftiger werden die Böen und auf dem Gletscherplateau auf 3600m müssen wir uns immer wieder mit aller Kraft auf die Stöcke stützen um nicht umgeblasen zu werden. Eine Führerseilschaft hat derweil an einer kleinen Hütte auf dem Schwarzhorn Schutz gefunden und wir tun es ihnen gleich. Der Wind ist heftig und es gilt alles zusammenzuhalten damit es nicht davon fliegt. Wir beratschlagen uns und checken das Wetter. Die Prognose sagt weiterhin über 100km|h Wind am Gipfel und somit beschliessen wir den Weg zur hütte anzutreten. Als wir die Steigeisen ablegen wird mein Petzl Lynx Steigesisen fast weggeweht. Immerhin sind wir auf den Felsen im Windschatten und erreichen bald, viele Seilschaften kreuzend, die Mischabelhütte.

Nach etwas beratschlagen und intensivem Studium der Wetterprognose beschliessen wir, die Tour um einen Tag zu verschieben. Wir haben Glück und bekommen noch einen Schlafplatz auf der Hütte obwohl diese offiziell ausgebucht ist. Manchmal braucht es eben dieses Quäntchen Glück im Leben.

Wir geniessen eine tolle Morgenstimmung Kaffe und Kuchen und danach einen entspannten Hüttentag.


Die Verhältnisse auf der Traverse zum Nadelhorn sind ideal wie wir später erfahren würden. Ich geniesse die Ruhe und bin deutlich ruhiger als am Tag zuvor. Ich freue mich geradezu endlich die Nomics in die Wand zu stemmen um Meter für Meter an Höhe zu gewinnen.

Nach einem gemütlichen Hüttenabend falle ich um 9 ins Bett und schlafe relativ bald ein. Um 03.00 ist die träumerei auch schon zu Ende und es folgt fast schon schlafwandlerisch die übliche Routine aus Frühstück, zusammenpacken und letztem

Check. Um 03:37 legen wir los und folgen bereits einigen Stirnlampen hinauf zum Schwarzhorn auf 3600m . Nach der Mongage der Steigeisen queren wir angeseilt den Gletscher und biegen links zur Nordwand ab eine grosse Spalte rechts umgehend. 2 Seilschaften sind bereits in der Nähe des wandfusses doch wir holen diese bald ein und ziehen an der 2 Seilschaft kurz vor dem Bergschrund mit stöcken bewaffnet vorbei.


Wir wechseln auf Eisgeräte und überwinden Bergschrund auf 3800m. Zunächst ist es etwas hart doch bald finden wir mehr und mehr die alte Spur. Während es im unteren Bereich teils gefrorener Firn ist wird es ab 3900m immer angenehmer und meist steht man in einem tiefen Tritt. Das Tempo legen wir bewusst langsam an, im Dunkeln wollen wir nicht am Gipfel sitzen. Einmal schaue ich kurz hinab um ein Bild zu machen. In der Folge muss ich erst wieder den Rhythmus finden und beschliesse nur noch blind nach unten zu fotografieren. Obschon ich weiss dass ich technisch der Wand gewachsen bin ist es dennoch meine erste in dieser Dimension, Konzentration ist also angesagt.


Einmal treffen wir auf 4 Meter Blankeis und setzen eine Schraube. Anschliessend finden wir wieder eine gute Spur vor. Erst auf den letzten 150 hm hat es lockeren Pulverschnee in der Spur und dieser verlangt vorsichtiges Betreten der Tritte. Irgendwann bemerke ich dass das Nadeljoch bereits tiefer liegt als wir in der Wand und ich bremse meine Euphorie über den zum Greifen nahen Erfolges. In der nähe des Austieges begrüssen uns 3x kurze Böen mit circa 50 Km/h und lassen uns jeweils kurz auf die Eisgeräte gestützt wegducken. Als ich um 06:10 über die Kante der Wand steige entlädt sich eine Ballung an Emotion. Seitdem ich die Wand das erste mal gesehen hatte war es ein still gehegter Traum, diese vielleicht eines Tages zu durchsteigen und in diesem Moment stehe ich da oben und habe es tatsächlich geschafft.


Der Wind lädt hier allerdings nicht zum Picknick ein und wir marschieren die letzten 10 Höhenmeter hinauf zum schmalen Gipfel der Lenzspitze auf 4294m. Hier windet es zwar auch doch wir können bequem sitzen, wenn auch auf engstem Raum. Als sich der Himmel orange färbt und den Sonnenaufgang ankündigt übermannt mich die Emotion und tränen kullern die Wangen hinab. Es rührt mich zu tiefste das Projekt erfolgreich geschafft zu haben und in diesem Moment auf diesem Gipfel zu sitzen um auf den Sonnenaufgang zu warten.


Derweil ist noch eine andere Seilschaft aus der Nordwand ausgestiegen und am Gipfel angelangt, für diese bleibt leider kein Sitzplatz. Wir geniessen den Sonnenaufgang in vollen Zügen bevor wir uns langsam fertig machen für den Grat hinüber zum Nadelhorn.


Die Eisgeräte verschwinden bald im Rucksack und in ansprechender Kletterei an bombenfestem Fels überklettern wir Turm um Turm. Die Kletterei schaut gerade im Steilem immer viel schwerer aus als sie tatsächlich ist. Die Tiefblicke hinab in die Nordwand sind dabei stets atemberaubend.


Wir gönnen uns irgendwann mal ein 15 minütige Pause und erreichen ohne Stress und viel spass am Klettern nach 3h das Nadelhorn.


Von dort an geht es mit Steigeisen bewaffnet die autobahn hinab zum Windjoch und über den Hohbalmgletscher zuletzt auf dem Allerwertesten hinab zur Hütte. Welch eine Tour und der beste Abschluss des Projektes 21in21.


Wir melden uns zurück bei Maria von der Mischabelhütte und begleichen unsere Rechnung bevor wir mit schwerem Rucksack und vorsichtigen Schritten hinab zum Hanni laufen wo uns die Bahn bequem nach Saas Fee hab chauffiert.


Fazit:

Die Nordwand auf die Lenzspitze ist für mich definitiv die Königslinie, wenn auch leichter bewertet als der ENE-Grat. Wer das Glück hat wie wir die wand in guten Verhältnissen anzutreffen bei gleichzeitig trockenem Verbindungsgrat zum Nadelhorn darf sich glücklich schätzen und aus meiner Sicht eine der schönsten Routen auf diese 2 4000er geniessen. Für mich definitiv die eindrücklichste und emotionalste Tour dieses Jahres.


Ausrüstung (Auszug):

30m Einfachseil (Reicht ideal!)

2 Camalots 0.75 und 1.0

Petzl Lynx und Nomic 2x

Scarpa Phantom Tech Schuh



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