Das Weisshorn mit seinen 4506m gilt für viele als der schönste Berg der Alpen und für so manch einen ist es ein Lebenstraum, einmal auf diesem symmetrischen weissen Berg zu stehen. Mit seinen 3 Graten stellt es den Alpinisten auf jedem Dieser vor einige Herausforderungen beschert aber auch ein tolles Erlebnis. Da für die meisten Alpinisten der Ostgrat als Abstieg dient sollte man trotz aller Schönheit die Zeit im Auge behalten.
Für mein Projekt hatte ich ursprünglich die Überschreitung via Nordgrat im Aufstieg und Ostgrat im Abstieg geplant. Allerdings hatte ich mit Ski im Frühjahr schon das Bishorn bestiegen, um mir die Option offen zu halten, bei schlechtem Wetter und mangelnder Zeit den Ostgrat im Auf- und Abstieg zu begehen.
Der Sommer 2021 gestaltete sich bisher wie bekannt sein dürfte anders als der Sommer 2020 was das Wetter betrifft und so war ich überaus froh, die Option des Ostgrates zu haben. Nach der Spaghetti-Tour in der Vorwoche war ich zudem top akklimatisiert und nachdem ich wusste dass das Weisshorn am 23.07.2021 von mehreren Seilschaften via Ostgrat das erste mal in dieser Saison begangen worden war war ich vorsichtig optimistisch, dass trotz des gemeldeten Niederschlags ordentliche Verhältnisse herrschen würden. Mit Nicola Heiniger hatte ich einen starken Partner gefunden und nachdem sich herauskristallisierte dass Donnerstag der beste Tag der Woche werden würde reservierten wir uns flugs 2 Plätze auf der Weisshornhütte. Diese hatte, wenig überraschend, noch Platz.
Nach einer Nacht auf dem Furkapass sammle ich um 09:00 Uhr Nicola in Visp ein und im Parkhaus von Randa warten wir das Ende des Niederschlags ab bevor wir uns an den Aufstieg zur Hütte machen. Der Hüttenweg ist einigermassen steil aber damit auch effizient und so erreichen wir die Hütte nach 2:15 h nach einigen Überholmanövern
Das Weisshorn ist derweil noch dick in Watte eingepackt und so lassen wir noch etwas Zeit verstreichen bevor wir uns auf den Weg zum Gletscher machen um das Wasserloch zu begutachten. Der weg erscheint logisch und der via Komoot erstellte Track passt exakt so dass mir die Wegfindung wenig Kopfzerbrechen bereitet. Die Südflanke schon eher und die Frage, ob von den Spuren noch etwas über sein würde.
Wir lassen es uns gut gehen auf der Hütte bei vorzüglichem Kaffee und Kuchen. Adrian hatte derweil Nicola eine Nachricht geschrieben und gefragt, ob er für eine Tour im Wallis am nächsten Tag zu haben sei. Wir bieten ihm an sich uns anzuschliessen, er würde halt dann nachts zur Hütte aufsteigen da er zu diesem Zeitpunkt noch bei einem bekannten im Berner Oberland zu Besuch war. Adrian war jedoch unschlüssig und verständlicherweise nicht übermässig motiviert alleine im Dunkeln zur Hütte aufzusteigen.
Nach einem vorzüglichen Abendessen genossen wir die traumhafte Abendstimmung an der Hütte während die Quellwoken das erste mal den Blick zum Ostgrat freigaben. Trotz des Regens schien dieser trocken zu sein und unser Plan schien aufzugehen.
Gegen 8 Uhr ging es gemächlich Richtung Bett, die Weckzeit war immerhin für 01:55 Uhr angesetzt wobei man von der Hüttenwartin geweckt würde. Nicola hat sich bereits dick zugedeckt und in klassischer Alpinistenmanier den Hüttenschlafsack mit voller Montur bezogen. Dies sollte er noch bereuen wie ermiss am nächsten morgen erzählte, die Weisshornhütte bietet auch nachts angenehme Temperaturen … Als ich bereits kurz vor dem Wegdämmern war vibriert mein Handy und mit zugekniffenen äuge erkenne ich schemenhaft dass Adrian anruft. Er habe sich entschlossen mitzukommen müsse jedoch noch packen und den letzten Zug ins Wallis erwischen. Das Telefonat endet rasch und keine 10 mitten später finde ich mich im Land der Träume wieder.
01:55 Uhr.
Aus einer kleinen Box schallt “Aufstehn” von Seeed und ein kurzes “Guete Morge” lässt meine Synapsen erkennen, dass die Ruhezeit zu Ende ist. Etwas benebelt bewege ich meine Beine in die Berghose, befördere meinen Hüttenschlafsack in die Hülle und mache mich auf den Weg hinab in die Stube. Die Treppe nach unten stellt dabei gleich das erste Boulderproblem dar und in der Stube sitzen bereits Nicola und Adrian. Auf die Frage der Hüttenwartin woher er denn komme hatte Adrian schlicht geantwortet, von dahäme. Leider war ich nicht Zeuge dieser kurzen Konversation um die Reaktion zu sehen. Wir frühstücken gemütlich und nachdem alles gepackt und der Klettergurt angelegt ist starten wir um 02:32 Uhr zum Weisshorn.
Der Weg zum Gletscher ist schnell erledigt und als wir denselben überqueren laufen wir doch glatt über die einzige sichtbare Spalte und überspringen diese. Eine Seilschaft ist bereits 10 Min vor uns gestartet und so finden wir den Einstieg ins Wasserloch problemlos und passieren dieses bald. Nach rund 30 Min stehen wir am Fuss des Firnfeldes und beschliessen, rasch die Steigeisen zu montieren. Auf gut tragendem Firn kommen wir rasch voran und lassen die andere Seilschaft hinter uns. Auf rund 3300m queren wir nach rechts auf den Grat und lassen die gezackten Freunde wieder im Rucksack verschwinden. Wir folgen nun dem Grat über diverse Platten Richtung Schulter. Kurz vor dieser gilt es in einem nach beiden Seiten offenen Kamin an einem Fixseil nach oben zu hangeln. Dank Dunkelheit werden hier keine Stilnoten vergeben …
Wir traversieren nun unter einem Firnfeld nach links in teils brüchigem Gelände und finden gut den Durchschlupf welcher hinauf zur Rippe führt wobei ein Bohrhaken im Licht der Lampe aufblitzt. Die Rippe weißt gute Wegspuren und diverse Steinmänner auf so dass wir problemlos nach 2:15h den Frühstücksplatz erreichen. Derweil herscht am Dom Normalweg Hochbetrieb
Wir nehmen einen Schluck und ziehen direkt weiter zum Beginn des Ostgrates und seilen an. Der Fels an den Türmen ist trocken unterbrochen von immer wieder kurzen Firnschneiden die ich regelmäßig im Reitstil überwinde.
Die Kletterei erfolgt dabei fast immer in festem Fels, die Exposition ist jedoch gehörig auf beiden Seiten. Als die Sonne das Weisshorn in ein rosa Licht taucht bekomme ich Gänsehaut und bedanke mich, so etwas erleben zu dürfen, längst keine Selbstverständlichkeit.
Die 4000er Marke haben wir hier bereits hinter uns gelassen, von den anderen 2 Seilschaften kann ich nichts erspähen. Bald erreichen wir das Ende des Felsteils und damit den schmalen Übergang in den Firn der mich bei den gesehen Verhältnissbildern schon erschaudern hat lassen. Die Spur ist auf der Südseite angelegt und vorsichtig platziere ich Schritt für Schritt in die kleinen Tritte. Immerhin ist die Schneide gut gefroren und so kommen wir nach 5 Minuten am Beginn der Nordostflanke an. Meine Hoffnung liegt auf den nachfolgenden Seilschaften die die Spur für den Abstieg perfekt präparieren dürften. Die alte Spur in der Flanke ist zwar erkennbar, doch eine große Hilfe ist Sie nicht da wir dort oft einbrechen. Somit legen wir eine neue an und arbeiten wir uns langsam immer Höher.
Der Gipfel scheint kaum näher zu kommen doch bei mir macht sich innerlich die Euphorie breit, dass wir das heute schaffen werden. Der finale Gipfelaufbau präsentiert sich winterlich, anstelle brüchiger Felsen finden wir eine Schneeflanke vor. Zunächst traversieren wir leicht nach rechts um dann horizontal nach links, wegen dünner Schneeauflage etwas absteigend nach links zu den Felsen queren. Immer wieder kratzt das Steigeisen auf Fels und es bedarf höchster konzentration, trotz Seilsicherung habe ich keine Lust auf einen Pendler…
Die nun folgende Kletterei im Fels ist durch bis zu 30cm Neuschnee auch kein Spaziergang doch irgendwann sehe ich das Gipfelkreuz garniert mit zwei strahlenden Gesichtern.
Es ist 2 nach 8 als ich den letzten Schritt auf den Gipfel mache und trotz des Erfolges bin ich in Gedanken schon beim Abstieg. Inzwischen ist nämlich klar, dass die anderen Seilschaften umgekehrt sind, aus der Traum von der perfekten Spur für den Abstieg…
Vorsichtig klettere ich den ersten Schnee Grat ab bis ich eine abseilstelle erreiche an der mich Nicola 40m an den Fuß des Gipfelaufbaus hinablässt. Adrian ist derweil schon unten angekommen, aber auch er war äusserst vorsichtig im Abklettern was mich beruhigt. Ich bin nicht der einzige der dieses Gelände äusserst respektvoll betritt.
Im Abstieg der Flanke ist an eine schnelles gehen nicht zu denken, die lockere Pulverschnee Auflage wird bereits feucht und die Steigeisen greifen mässig. Links lacht die Nordostwand mit fast 1000m, ich verzichte gerne auf eine Bekanntschaft im Abstieg und prüfe jeden Schritt. Der letzte die abschnitt hinüber zum fels ist mittlerer Weile weicher und definitiv nicht angenehmer zu gehen. Ich schlage Tritte wenn es möglich ist und Zentimeter um
Zentimeter kommt der Fels näher. Ich bin erleichtert als ich endlich wieder aufrecht gehen kann.
Der Ostgrat ist nun deutlich einfacher zu gehen, die konzentration sollte denn ich nicht nachlassen ob der Abgründe auf beiden Seiten. Wir seilen die Türme jeweils ab und als wir den Lochmatter Turm hinabsausen treffen wir auf die beiden anderen Seilschaften.
Nach kurzer Verpflegung am Frühstücksplatz steigen wir die Rippe ab. Im Hellen ist der Weg hier schwerer zu finden als im Dunkeln, denn es hat überall Wegspuren und Steinmänner.
Wir bleiben strikt auf der Rippe und auf 3500m finden wir problemlos die Abseilstelle die ich als erster in Angrifff nehme. Mit 20m abseilen erreicht man problemlos den sicheren Boden. Ich suche einen geschützten Platz um meine Steigeisen für das Firnfeld zu montieren. Als ich das erste Eisen am Fuss habe höre ich ein Zischen und als ich nach oben schaue kann ich mich gerade noch wegducken vor einem 10x10 cm grossen Stein welcher wie ein Komet von oben kommt. Er schlägt 2 m neben Adrian ein und fliegt anschliessend noch weit den Berg hinab. Bei Puls von 200/Min gehe ich schnell zu Adrian hinab und ziehe in etwas geschützterer Umgebung in 20 Sekunden das zweite Steigeisen an. Ich renne hinüber zum Firnfeld und schaue dass ich so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone komme. Adrian und Nicola nehmen ebenfalls die Beine unter die Arme. Es folgt nun eine etwas windige Abkletterei über diverse Platten, einer Abseilfahrt und hinabhangeln an einem maroden Fixseil bis wir das untere Firnfeld erreichen. Auch hier finden sich frische Einschlaglöcher von Steinen und so rennen wir schleunigst aus der Gefahrenzone.
Erst kurz vor dem Wasserloch beruhigt sich der Puls wieder. Dieses kommen wir nun ohne Probleme hinab und von dort in 20 Minuten zur Weisshornhütte.
Nach kurzem shake Hands gratuliert uns die Hüttenwartin persönlich zur Tour, eine Geste die ich so auch noch nie erlebt habe aber passend zum familiären Gesamtbild der Hütte. Nach Kaffee und bestem Kuchen heisst es ein letztes mal zusammenpacken und während Nicola einen Teil unserer Ausrüstung mit dem Gleitschirm ins Tal nimmt rennen wir die 6 Km nach Randa wo ein eiskalter Red Bull im Kühlschrank meines Autos wartet.
Fazit:
Eine grosse Tour mit vielen verschiedenen objektiven Gefahren die je nach Verhältnissen unterschiedlich ausgeprägt sind. Für mich war die Tour deutlich anspruchsvoller als das Matterhorn um einen Vergleich heranzuziehen. Zurecht gilt der Berg als Perle des Wallis, dank tollem Team durfte ich heute den Gipfel erreichen und gesund zurück ins Tal kommen.
Video:
Ausrüstung (Auszug)
Scarpa Phantom Tech
40m Einfach Seil (Beal Opera)
4 Expresschlingen
Ein Satz Cams (wurde nicht verwendet)
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