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Vorder Grauspitz 2599m


Hallo wach!

Es ist Montag, 18. September, fünf Uhr 2. Das Telefon klingelt. Die Krankenschwester sagt mir es sei noch ein Patient mit Thoraxschmerzen gekommen. Etwas grummelig bewege ich mich aus dem Bett, schliesslich ist heute der Start meines Projektes, da wären 2 Stunden mehr schlaf schön gewesen. Ich sammle meine Klamotten vom Boden und begebe mich ins grelle Licht der Notfallstation. Au! au! au!, das tut weh. 5 Minuten später halte ich ein EKG in der Hand und teile dem Patienten mit, dass er einen schweren Herzinfarkt hat. 25 Minuten später stehe ich wieder bei jenem Patienten, im Augenwinkel sehe ich wie sich der wunderbare Sinusrhythmus in ein Kammerflimmern verwandelt gefolgt von einer sauberen Asystolie.

Eine Stunde später werden wir diesen Menschen nach erfolgreicher Reanimation in ein auswärtiges Spital verlegen. So kann man auf wach werden.

Um Acht verlasse ich das Spital, fahre rasch nach Luzern, zwei vergessene Sachen einpacken. Um 09:11 mache ich mich auf den Weg nach Malens in Graubünden. Der Wetterbericht ist schwierig einzuschätzen, unten scheint zumindest mal die Sonne. Oben unheilschwelende Wolken. Egal, ich baue auf ein kurzes Zwischenhoch zwischen 1 und 3 Uhr.

Elfuhrfünf. Lets Go!

Zunächst auf kleinen Wanderwegen, später lange auf einer langweiligen Forststrasse die ich einmal für eine “Abkürzung” verlasse. Diese stellt sich als langwieriger Ausflug in die bündnerische Botanik heraus. Ich verfluche mich, wie so oft für meine blödsinnigen Ideen. Das kommt davon wenn man am liebsten kerzengerade nach oben geht.

Nach zwei Stunden erreiche ich den vorderst See unterhalb des Glegghorns, einem formschönen Berg der von weitem aus dem Rheintal zu sehen ist. Im Juni war ich dort wegen drohender Dunkelheit umgekehrt.

Auf dem weg gaben die Wolken immer wieder kurzzeitig den Blick auf den Aufstieg zum Vorder Grauspitz frei. Die überwiegende Farbgebung ist weiss. Wie erwartet, aber gehofft hatte ich es hätte weniger Schnee. Egal, ich wollte es mir aus der Nähe ansehen.

Rasch geht es weiter Richtung Alp Ijes, anschliessend über Grasflanken auf schlammiger Wegspur hinauf zum Sattel auf 2300m. Etwas unterhalb war ich im Schnee angekommen, begleitet von leichtem Schneefall.

Ein erster Blick auf den Gipfel der zu diesem Zeitpunkt von einem blauen Loch umrandet war.

Summit!

Mein Plan schien zu funktionieren. Also nichts wie weiter. Anfänglich lag nur wenig Schnee, das erleichterte das Gehen nicht unbedingt mit den Trailrunningschuhen. Ab 2400 m dann meist durchgehende Schneedecke bei gutem Trittschnee. Langsam schlug sich der wenige Schlaf der sieben Nachtdienste der Vorwoche nieder. Zu wissen dass es nur mehr 180hm sind hilft allerdings. Nach ausgedehntem Schneegerutsche erreichte ich bald den Sattel auf 2501m. Von dort ist der hintere Grauspitz definitiv der fotogenere Gipfel.

Nun war es nur mehr der Gipfelgrat mit 100hm. Meist lag nur 20 bis 25 cm Schnee, teilweise hatte der Wind jedoch ganze Arbeit geleistet und für Wechten gesorgt.

Der Gipfel war immer noch wolkenfrei, jedoch war die nächste Front schon im Anmarsch. Zeit für den Schlussspurt. Die Schneeauflage auf zum Teil plattem Fels ist eine gefährliche Kombination, vor allem wenn rechts eine 200m hohe Nordwand lacht.

Etwa 50m unterhalb des Gipfels deponierte ich die Stöcke und grub mich zum Teil knietief durch den Schnee zum Vorgipfel. Der Übergang zum Hauptgipfel sah auf den ersten Blick gar nicht einladend aus.

Aber hier umkehren. Sicher nicht! Kurz klettert man in eine Scharte ab. Anschliessend geht es nochmals 15 m auf den Gipfel. Hier gab es nochmal bis 50 cm Schnee auf plattier Unterlage. Vorsichtig und mit Pickel in der bewaffnet erreichte ich exakt nach 3,5 Stunden den Gipfel des Vorder Grauspitz, mit 2599m der höchsten Berg des Fürstentums Liechtenstein. Ein Schrei vor Glück. Was für ein fulminanter Start!

Was für ein Tag. Vollkommen Surreal.


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