Die Spaghetti Tour umfasst insgesamt 18 offizielle 4000m Berge an der Grenze der Schweiz zu Italien wobei 3 voll auf italienischem Boden stehen. Da die Übernachtungsmöglichkeiten mehrheitlich auf italienischem Boden stehen entstand der Name Spaghetti Tour.
Die Tour ist für viele mehr oder weniger geübte Alpinisten / Alpintouristen ein Lebenstraum, entsprechend frequentiert ist das Gebiet. Auch weil es neben dem Zugang via Klein Matterhorn mehrere von der Italienischen Seite her gibt.
Im Rahmen meines 4000er Projektes stand die Tour auch auf der To-Do-Liste, sprich es hieß, hinein ins Getümmel. Wer wie ich nicht wochenlang im voraus Touren plant sondern sich nach dem Wetter richtet wird bei der Hüttenreservierung die erste Hürde finden. Alles ausgebucht, schon unglaublich welche Ausmasse Alpinismus angenommen hat. Zum Glück gibt es zwei Biwakschachteln auf dem Weg und mit flottem Gehtempo sollte ein Schlafplatz zu ergattern sein. Zumindest wusste ich, dass das Bivacco Rossi e Volante 3779m vor kurzem noch von Benedikt Böhm aufgeräumt worden war, über den Zustand des Biwaks am Balmenhorn hatte ich keine Informationen ausser dass es über 6 Schlafplätze besitzt.
Diese Tour wurde vom 19.07.2021 bis 22.07.2021 unternommen.
(Hin)-Auf gehts…
Am 19. Juli schälen wir uns früh auf dem Campingplatz in Täsch aus den Federn um rechtzeitig um 05:55 Uhr die Bahn nach Zermatt zu nehmen. Am Bahnhof treffen wir einen etwas müden Tobias an, welcher sich am Vortag bei gewöhnungsbedürftigen Verhältnissen 14 Stunden über den Nadelgrat gekämpft hatte.
Nun folgt das Procedure as usual, zügig zur Bahnstation durch Zermatt, Ticket lösen, gefühlt 8 mal umsteigen und in der brechend vollen grossen Gondel hinauf zum Klein Matterhorn. Anschliessend Alpinistenslalom durch den Tunnel und schnellst möglich über die Skipiste hinab zum Steigeisen montieren. Das Wetter ist derweil perfekt, keine Wolke am Himmel und so schreiten wir bald zügigen Schrittes hinüber richtung Pollux. Nach knapp 1 h erreichen wir den Beginn des Gipfelanstieges wo ich meinen Rucksack deponiere.
Einem Colouir folgend erreichen wir schnell eine Höhe von 3900m und nach ein paar einfachen Kletterzügen den Felsaufschwung mit Ketten. Es herrscht noch wenig Betrieb und so gelangen wir zügig hinauf wobei ich vorsichthalber Tobias und Bernd nachsichere. Auch der zweite Aufschwung ist rasch erklettert und nach einem schönen Firngrat stehen wir 1:50h nach Aufbruch bereits am Gipfel des Pollux 4091m.
Wir verweilen nicht lange und machen uns rasch an den Abstieg um den Gegenverkehr bei den Ketten zu vermeiden. Wir seilen 2x ab und keine halbe Stunde später sind wir schon angeseilt auf dem Weg zum Biwak. Der Schnee wird direkt ostexponiert bereits weich, somit sind wir froh bereits um 10:23 Uhr die Biwakschachtel auf 3779m zu erreichen. 4 Betten sind bereits belegt, doch bei 9-10 Schlafplätzen bleibt genug Platz für uns 3. Beim Betreten des Biwaks gilt es jeweils eine Crux zu meistern, nicht auf das morsche Brett zu treten und somit einen extraglacialen Spaltensturz zu riskieren. Im 5. Anlauf hat jedoch jeder den Move drauf.
Es folgen entspannte Stunden des Schneeschmelzens bei bestem Alpinistenkino. Je später die Uhrzeit desto wilder die Manöver beim überqueren diverser Spalten in Sichtweite, die letzte Seilschaft des Tages verzichtet gar ganz auf ein Seil und setzt auf die sogenannte Handschlag Sicherung beim überqueren von grossen Spalten.
Nach einem feinen Abendessen fallen wir gegen 21:00 in die Horizontale um fit zu sein für den nächsten Tag. Aus Faulheit entscheide ich mich dagegen, meinen guten Schlafsack auszupacken was ich mehrfach in dieser Nacht bereue. Alle Stunde wache ich auf weil die Decke sich wie von Zauberhand aus dem Staub gemacht hat. Etwas grimmig decke ich mich wieder ordentlich zu und es geht in die nächste Runde. Zum Glück dürfen wir früh aufstehen um so ist es bald 3:30 Uhr. Nach etwas Wasser, einem Riegel und einem gemurmelten guten Morgen geht es um 04:04Uhr etwas wacklig hinab auf den Gletscher. Wir seilen an und folgen der ausgetretenen Spur hinüber zum Castor. Wir überschreiten zwei Bergschründe und 100m unterhalb des Gipfels legen wir das Seil ab. Zuletzt geht es steil hinauf zur bekannten Firnschneide die elegant zum Gipfel führt. Und die ist schmal, sehr schmal so dass ich mit kleinen Schritten im Licht der blauen Stunde gen Gipfel wackle. Bald erreiche ich das geräumige Gipfelplateau und noch vor Sonnenaufgang beglückwünschen wir uns zum ersten 4000er des Tages auf 4223m.
Wir beschliessen den Sonnenaufgang nicht abzuwarten sondern direkt weiter zu gehen richtung Lyskamm, welcher die Crux des Tages darstellt. Entlang eines schönen Firngrates erreichen wir bald ein Plateau und nehmen die Punta Felik noch kurz mit, wenn auch diese gemäss UIAA Statuten kein offizieller 4000er ist. Wir verpflegen uns kurz und bei eisigem Wind schreiten wir auf den Lyskamm zu dessen Westflanke welche so gar nicht einladend aussieht, genauer gesagt erscheint sie blank. Mir ist derweil unwohl, teils schwindelig und ich zweifle, ob ich das heute wohl schaffe. Ich fokussiere zu 100% auf den nächsten Schritt, nehme noch einen grossen Schluck von der in diesen Regionen kostbaren Cola und schreite über den schmalen Firngrat. Bald ist der Fuss der Westflanke erreicht und langsam aber stetig pickeln wir uns den Weg nach oben. Den Blick richte ich fast ausschliesslich nach oben, über ein Ausrutschen sollte man hier gar nicht erst nicht nachdenken. Bald können wir nach rechts auf ein flacheres Plateau queren und kurz die Aussicht im Windschatten geniessen.
Nun gelangen wir in wenigen Schritten auf den Firngrat des Lyskamms und wenig später den Westgipfel auf 4479m. Wir bleiben gar nicht stehen sondern laufen direkt weiter auf dem immer schmaler werdenden Grat hinüber. Die folgenden 500m sind etwas vom schmalsten was ich bisher gelaufen bin mit gähnenden Abgründen auf beiden Seiten. Die Crux stellt die Umgehung eines kleinen Felstürmchens auf der Nordseite dar. Beim Begutachten löst sich die Sonnenblende von meinem Objektiv und ich schaue staunend, wie flink Sie ihren Weg hinab auf den Lysgletscher durch die Südflanke findet. Da ich keine Lust auf einen ähnlich schnellen abstieg noch auf Kratzer auf der Linse habe packe ich die Kamera behutsam in den Rucksack und tanze um den Steinblock herum. Die eigentliche Crux ist nun, sich auf dem Grat 180 Grat zu drehen wobei die Fläche für dieses Manöver gerade breit genug zum stehen ist.
Nach diesem Manöver folgen zwar noch schmale Passagen um Umgehungen, doch die Firnlage ist gut und nach hinabhangeln einer kleinen Felsstufe am Fixseil erreichen wir bald ein breites Plateau etwa 100hm unterhalb des Ostgipfels. Ein schön geschwungener Grat führt mit guter Spur hinauf und so erreichen wir 15 Minuten später den höchsten Punkt des Lyskamms. Zu unserem Glück kommt uns nur 2x eine Seilschaft entgegen. Hier verweilen wir keine 3 Minuten im Wissen, dass auch der folgende Abstieg nochmals volle Konzentration verlangen würde.
Die Firnlage ist ostseitig nun perfekt und so gelangen wir problemlos auf 4400m hinab. Dort folgt nochmals ein schmaler Firngrat den ich mit zeitweisem Schwindel sehr vorsichtig beschreite. Gerade schnelles umdrehen ist sehr unvorteilhaft für meinen Gleichgewichtssinn, somit schaue ich stets nach vorne. Nach dem letzten steilen Abschwung erreiche ich das Lysjoch und setze ich erst mal auf den endlich flachen Boden. Ich verpflege mich und bald folgen Tobias und Bernd. Glücklich aber allesamt geschafft seilen wir an und schreiten zielstrebig hinüber zur Ludwigshöhe welche wir ohne Rucksack bald erreichen. Von dort eilen wir noch hinüber zum Corno Nero welches sich anspruchsvoller als erwartet herausstellt. Die rund 45-50 grad steile Flanke ist mehr Eis als Firn und so sichern wir mit Eisschrauben hinauf.
Dank zweier 30m Seile können wir die gesamte Flanke abseilen und erreichen wenig später das Biwak am Balmenhorn.
Es scheint als ob wir einen Platz ergattern können, denn im Biwak ist keiner was oben der Geruchskulisse wenig erstaunt. Zum Glück haben wir ein “Team-Deo” dabei welches den Geruch zumindest kurzzeitig überdeckt. Der Geruch entspricht etwa einem übervollen Dixie-Klo welches 3-8 Jahre in der Sonne stehen gelassen wurde ohne Entleerung. Da es noch früh ist wollen wir nochmals kurz das Biwak verlassen und ohne Rucksack flink hinüber zur Vincent Pyramide 4215m laufen. Nach kurzem Abstieg stehen wir nach Rund 25 Minuten auf dem Gipfel unseres 7. 4000ers für diesen Tag. Auf dem Rückweg werden wir gefühlt gegrillt und erreichen glücklich das Biwak wieder. Immer noch sind keine zusätzlichen Gäste angekommen und so machen wir uns auf die Suche nach Schnee, welcher nach abkochen geniessbar ist. Die Suche gestaltet sich schwierig denn rund um die Hütte haben Hundertschaften ihre Notdurft verrichtet, der auftauende Schnee fördert zudem weitere Minen zutage. Anstelle Marschtee wird es wohl eher Arschtee geben…
Immerhin gibt es Hüttenschuhe und so darf ich einmal ohne Scarpa Phantom Tech herumlaufen.
Gegen 14 Uhr treffen noch zwei Österreicher aus Salzburg ein und nachdem wir oben nur einen Schlafsack gesichtet hatten bejahen wir, dass es noch Platz zum schlafen hat. Die Stimmung ist prächtig und nach dem Abendessen gönnen wir uns noch etwas Budyn, Dr. Ötker Pudding aus Tschechien oder Polen mit verstrichenem Haltbarkeitsdatum.
Gegen 16 Uhr trudeln dann noch 4 Spanier ein die wenig freundlich verkünden, Sie würden ebenfalls hier schlafen. Sie raunzen uns an, ob wir denn nicht Ihre Schlafsäcke gesehen haben und erklären uns, in Spanien mache man dies am Strand auch so, man lege einfach irgendwo etwas hin um zu signalisieren dass der Platz reserviert ist. Ich wiese Sie bestimmt darauf hin, dass das Biwak nicht auf spanischem Boden ist doch letztendlich finden wir uns alle damit ab, dass es halt 9 Leute für 6 Betten werden würden.
Während die anderen bereits langsam Richtung Bett gehen geniesse ich noch die Abendstimmung beim Zähneputzen etwas abseits der Fäkallawine. Als ich das Biwak betrete und den ersten Brechreiz überwunden habe klettere ich hinauf zum Schlaflager. Ob des Gestanks wäre ich fast rücklings wieder hinabgefallen, die dort herrschende Hitze setzt dem Ganzen noch die Krone auf. 34°C misst die Suunto Uhr von Tobias, meinen Schlafsack packe ich wieder ein. Auch ziehe ich etwas widerwillig meine Jacke aus, direkten Hautkontakt mit den Matratzen wollte ich mir eigentlich ersparen. Jedoch mit Hose und Jacke zu schlafen ist ob der Hitze keine Option. Mann an Mann liegen wir gegen 9 im Lager , drehen ist quasi gar nicht möglich. Immerhin habe ich mir den Schlafplatz ganz am Rand gesichert und muss somit nur mit Bernd den verfügbaren Platz verhandeln. Ich schlafe bald ein und wache erst 1 Minute vor dem Wecker um 03:30 auf. Den anderen scheint keine gute Nacht gegönnt gewesen zu sein. Christian, der Österreicher war mitten in der Nacht auf den Boden der Stube geflohen nachdem der spanische Kollege seine Zungenkünste an seinem Ohr ausgetobt hatte. Tobias und Bernd konnten wohl nur stundenweise schlafen.
Wir packen unsere 7 Sachen zusammen, etwas Wasser, ein Riegel und bald verlassen wir das Geruchskino durchaus erleichtert. Ich seile kurz auf den Gletscher ab, um diese Tageszeit traue ich meinen Füssen noch nicht und wir schreiten im Schein der Stirnlampe Richtung Parrotspitze. Als wir den Grat erreichen packen wir das Seil weg und dank guter Kamera gelingen ein paar tolle Aufnahmen.
Wir erreichen den Gipfel knapp in der Dämmerung und nach kurzem Shake-Hands folgen wir dem Grat. Dank guter Spur sind wir bald wieder im flachen Gelände und schnell auf der Autobahn welche Richtung Signalkuppe zieht. Ich leide recht unter der Höhe und erst auf 4500m kommen langsam die Lebensgeister. Während diverse Seilschaften Richtung Zumsteinspitze ziehen erreiche ich den breiten Firngrat auf der Signalkuppe rund 10 Minuten vor Sonnenaufgang. Wir fallen einander in die Arme und auf dem Balkon der Margerithahütte auf 4554m fiebern wir dem Sonnenaufgang entgegen. Die Stimmung ist magisch und dieser Sonnenaufgang ist einer der schönsten die ich je gesehen habe.
Nach der ausgiebigen Fotosession machen wir uns auf den Weg zur Zumsteinspitze welche nach dem Abstieg in 20 Minuten erreicht ist. Noch immer ist das Licht wahnsinnig und so verweilen wir sicher 15 Minuten dort. Wir hadern noch ob wir nicht doch den Granzgrat hätten machen sollen doch ob der vielen Seilschaften welche mittlerer Weile unterwegs waren würde dies ein ewiges Unterfangen werden. Somit machen wir uns gegen halb 8 an den abstieg zur Monte Rosa Hütte und treffen auf dem Weg noch das Österreichische Paar.
Nach kurzem Ratsch folgen wir der breiten Spur wobei der Grenzgletscher perfekt gefroren ist. Die Landschaft ist beeindruckend und vor wenigen Tagen war ein Seracabbruch bis zur Spur gerutscht. Somit verlieren wir keine Zeit und laufen Meter um Meter den Gletscher hinab. Auf 3350m können wir das Seil wegpacken und von dort sind es nur mehr 30 Minuten bis zur Monte Rosa Hütte die wir um Punkt 9 erreichen. Alle sind froh endlich etwas niedriger zu schlafen und so geniessen wir die Sonnenterasse bei alkoholfreiem Weissbier, Rösti und Snickers. Nach den letzten Tagen sind wir alle ausgehungert.
Das Abendessen gleicht mehr einem Luxusmenü, 4 Gänge und Nachschlag ist der 7. Himmel für uns. Den Sonnenuntergang erlebe ich im Bett den der nächste Tag verspricht nochmal anstrengend zu werden.
01:45 Uhr
Tolle Weckzeit, doch es hilft nichts, es bleiben noch 2 Gipfel welche es zu erklimmen gibt. Nach gutem Frühstück laufen wir um 02:33 Uhr ab und suchen im Stirnlampenlicht den Weg durch das Blocklabyrinth. Wir kommen gut voran und nach einer Stunde haben wir etwa 500hm geschafft. Wir seilen an und legen Steigeisen an und marschieren über den Gletscher, leider regnet es, richtung Tessin blitz es einige male deftig und ich schreite mit gemischten Gefühlen weiter. Die Spaltenzone auf 3450m ist äusserst unangenehm, die Schneebrücken fühlen sich an wie Butter. Wir lassen uns nicht beirren und steigen weiter, auf 4000m scheinen wir den Frierpunkt erreicht zu haben, es schneit nun. Immerhin, der Blick in den Himmel stimmt positiv, wir erspähen grosse Löcher in der Wolkendecke. Als wir das Plateau auf 4150m erreichen klart es auf und wir folgen der Spur zum Sattel auf 4355m. Vor einigen Tagen war hier etwas von Blankeis geschrieben worden, wir finden perfektes Softeis vor dank fehlender Abstrahlung.
Das Seil verschwindet nun im Rucksack und wir folgen der mal mehr, mal weniger sichtbaren Spur da diese von 5-10cm Neuschnee verdeckt ist. Als wir den ersten Felsteil überklettern geht die Sonne auf und taucht die umliegenden berge in ein magisches Licht. Die Kamera habe ich dennoch im Rucksack verstaut und wir verlieren keine Zeit sondern machen uns an den zweiten Firnaufschwung. Im obersten Teil finden wir etwas Blankeis welches sich gut links umgehen lässt und so erreichen wir die Crux des Westgrates, die letzten 30 hm zum Gipfel. In gutem Fels klettern wir mal links, mal rechts, mal oben drüber dem Gipfel entgegen. Die Querung nach links empfinde ich einfacher als 2019 im März dank des vielen Schnees. Am Ende hangeln wir uns am Fixseil hinauf zum Gipfel auf 4634m. Die Stimmung ist magisch und das Nordend sieht von hier giftig aus, natürlich ohne Spur. Derweil sehen wir, wie sich die beiden Österreicher durch den Gletscherbruch kämpfen.
Nachdem wir das Panorama genossen haben klettern wir kurz dem Grat entlang ab, zwängen unseren Allerwertesten unter einem Felsvorsprung hindurch und erreichen flink die erste Abseilstange. Der erste Abseiler ist dabei klar, Circa 15 -20 Meter unterhalb sieht man die nächste Stange. Von dort seilen wir uns gerade nach unten leicht nach rechts von oben gesehen ab. Wer hier nur ein 40m Seil hat muss streng nach rechts seilen, dank 2x30m Radline erreichen wir unten einen Schlingenstand der mehrfach hintersichert ist. Von dort sind es noch 2 Abseilfahrten a 30 m bis zum sicheren Boden am Silbersattel.
Die Österreicher sind derweil bereits am Spuren Richtung Nordend und wir zögern nicht, der Spur zu folgen. Die ersten Meter sind flach doch schon bald wird die Flanke steiler und eisiger. Ich bitte Bernd, hier mit Eisschrauben zu sichern während Tobias vollkommen cool seilfrei weitergeht. Nach der kurzen steileren Stelle folgt ein kurzer Felsteil mit nachfolgend nochmal kurzer steiler Passage. Wir sichern nochmals kurz und achten peinlich darauf, nicht zu weit rechts zu sein. Die Wechten sind eindrücklich.
Das letzte Stück zum felsigen Gipfelaufbau sichern wir nochmals mit Eisschrauben und die letzten Meter auf den Gipfel sind dann zwar steil, am Seil jedoch kein Problem. Wir nehmen die rechte Variante, die eher 3 statt 2 ist jedoch super Griffe aufweist. Ich bin etwas verdutzt dass ich dort oben auf diesem schmalen Gipfel sitze, ich hatte nicht damit gerechnet das Nordend noch zu schaffen. Doch dank der starken Seilschaft darf ich nun hier sitzen und die Aussicht vom 4. höchsten Alpengipfel geniessen.
Wir verweilen nur kurz und machen uns bald wieder an den Abstieg. Den Felsteil seilen wir ab und im Gegensatz zum Aufstieg macht mir der Abstieg keine Probleme. Wir gehen vorsichtshalber am kurzen Seil doch da in der Zwischenzeit noch 3 Seilschaften zum Nordend gegangen waren ist die Spur nun perfekt und so erreichen wir bald den Silbersattel. Nun macht sich die Euphorie in mir breit, wir haben es tatsächlich geschafft, doch im Hinterkopf weiss ich, dass das erst bei der Hütte respektive in Zermatt der Fall ist.
Vorsichtig folgen wir der Spur hinab, kurz nach dem Sattel wartet bereits das erste Loch auf einen Fehltritt unsererseits doch wir kommen mit beherztem Sprung gut darüber. Anschliessend klettern, laufen und springen wir wie super Mario durch den surrealen Gletscherbruch und bald erreichen wir flachen Boden. Der Gletscher konnte zum Glück noch etwas frieren nach unserem Aufstieg und so kommen wir relativ gut voran. Auf 3914m warten nochmals 2 Spalten, bei der zweiten tappe ich ins Loch und lege einen Bauchplatscher auf der anderen Seite hin. Gegen 11:00 Uhr erreichen wir die Spaltenzone auf 3450m und behutsam überschreiten wir die morschen Brücken. Nach diesem Nervenkitzel sind es nur noch wenige Meter hinab zum Ende des Gletschers.
Über Stock und Stein wackeln wir hinab zur Hütte, teils auch auf dem Hosenboden und punkt 12 sind wir auf der Sonnenterasse angekommen. Wir sind sichtlich erschöpft, doch glücklich und nach einer Dose alkoholfreiem Weissbier machen wir uns gegen 12:40 auf den Weg zur Gornergratbahn. Der Weg ist landschaftlich schön, doch mit 7 km auch lange. Auch sollte man ihn nicht unterschätzen. Nachdem der Gornergletscher erreicht ist gilt es diesen noch etwa 100hm wieder aufzusteigen. Dies ging gerade so ohne Steigeisen und der Übergang zum Fels ist je nach Verhältnissen nicht mehr möglich. Man sollte unbedingt die Verhältnisse abklären bevor man diesen Weg beschreitet, ansonsten sollte man den neuen Hüttenweg nehmen, welcher zwar länger jedoch sicherer ist.
Der Weg zum Rotenboden will nicht enden doch irgendwann gegen15 Uhr erreichen wir die Bahnstation und damit das Ende unserer 4 tägigen Reise. Von absoluter Abgeschiedenheit treten wir in die surreal anmutende Welt des zermatter Tourismus ein und man schämt sich fast, in diesem Zustand mit der blitzsauberen Bahn hinab zu fahren…