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AutorenbildMaximilian Gierl

N A D E L G R A T


Der Nadelgrat bezeichnet die Verbindung zwischen Dirruhorn (4037m) und dem Nadelhorn (4327m) und gilt zurecht, das kann ich durchweg betätigen, als eine der schönsten Grattouren der Alpen. Mit einer maximalen Kletterschwierigkeit von 3b halten sich die technischen Schwierigkeiten in Grenzen, doch bewegt man sich lange auf über 4000m und somit sollte man diese Tour nicht unterschätzen. Der Zugang zum Grat erfolgt am leichtesten der das Sellecoulouir, doch wegen zunehmender Aussperrung ist dies nur mehr im Frühsommer eine sichere Zustiegstoption. Vor 4 Jahren lies uns dies den Plan einer Begehung im September von der Mischabelhütte verwerfen, beim Zustieg zum Galenjoch 2017 wären wir fast von einer Nassschneelawine erfasst worden. Der Nadelgrat geisterte also schon länger in meinem Kopf umher, nun war es endlich Zeit diesen Grat unter die Füsse zu nehmen. Nach einigen Wochen unsicheren Wetters stellte ich Anfang Juli endlich eine stabile Hochdrucklage ein und somit hiess es, Tourenpartner finden und nichts wie runter, ins Wallis. Mit Damian hatte ich einen perfekten Partner gefunden was Zeit- und Risikovorstellung bei einer solchen Unternehmung betrifft. Nach den ordentlichen Schneefällen im Juli wollte ich auf einen Start im Tal verzichten da mir der Zustieg zum Galenjoch heikel erschien. Meinen letzten Besuch auf der Mischabelhütte hatte ich noch in bester Erinnerung und somit würde ich gerne für diese Tour dorthin zurückkehren.



Besser spät als früh…

Nach einem Photographiejob in der Zentralschweiz sind wir erst um 11 Richtung Wallis unterwegs, gabeln in Visp noch Damian auf und trudeln mal gemütlich im 15 Uhr in Saas Fee ein. Damian hatte sich von vorne herein für die Low Budget-Variante und für ein Biwak oberhalb der Hütte entschieden, somit war der Stop beim Lebensmitteldealer unausweichlich. Mit 700g Schokokuchen, einer Cervelar und anderweitigen Wellnessnahrungsmitteln machen wir uns gegen 1600 langsam an den bergaufweg. Kurz folgen wir dem Wanderweg bevor der Drang nach oben auf schwacher Wegspur grob in Richtung Hütte zieht. So kommen wir zwar in den Genuss zweier bombastischer Wasserfälle, unsere Unterschenkel darben dafür zünftig vor uns hin. Naja, der Schokokuchen will verdient sein.


In der Abendsonne erreichen wir bald den „normalen“ Wanderweg und schreiten gemütlichen Schrittes gen Hütte welche wir nach insgesamt 2:30h (inklusive Einkaufen) vom Parkplatz erreichen. Ich husche flink in die Hütte und komme quasi punktgenau zum Abendessen an. Die Hütte ist coronaadaptiert gefüllt und nach dem vorzüglichen 3 Gang Menü geselle ich mich hinaus zu Damian der nach erfolgreicher Wassersuche (700g Kuchen machen unter Umständen durstig…) auf der Hüttenterasse sitzt. Gemeinsam verdrücken wir noch sicher die Hälfte des Kuchens und genießen die wunderbare Abendstimmung.



Eigentlich sollte man ja früh ins Bett wenn das Frühstück für 2:30 angerichtet ist, eigentlich eben. Die Stimmung ist jedoch zu schön um die Matratze zu drücken und so fallen wir beide erst nach 22:00 Uhr in die Federn.


Hüttenfreuden…

01:50 Uhr ist es als ich von lautem, mutmasslichem russischem Gerede garniert mit herrlich klingendem Pickelgepoltere aus dem Schlaf gerissen werde. Ja leck mi doch, denke ich mir und beschliesse erst um halb 3 das Bett zu verlassen. Der ausländische Alpintrupp verlässt zum Glück rasch das Lager und so snooze ich dem unausweichlichem Aufstehen entgegen. Meine Kleidung habe ich am Vorabend gar nicht erst abgelegt, somit muss ich weniger denken und lediglich meinen Hüttenschlafsack in dessen Hülle zurückbefördern. Das ist Herausforderung genug zu dieser unchristlichen Stunde. Wies`d Mama beibracht hod hinterlasse ich das Bett in zusammengelegtem Zustand und torkle hektischen Alpinisten ausweichend dem Frühstück entgegen. So, erst a moi an Kaffee und a gscheids Müsli, dann schaut die Welt scho anders aus.

Gmüetlich ham ma gsagt, woin mas nehma, 6h für Tour ist der Plan. Dementsprechend geniessen wir das Frühstück und treten um 03:20 Uhr hinaus in den Schein des Vollmondes. Möge er die Cortisolausschüttung ankurbeln, ist mein stiller Wunsch.



03:23 Uhr

So lautet die Startzeit und entlang der Markierungen ziehen wir hinauf Richtung Schwarzhorn. Dank des Neuschnees legen wir bereits nach 100hm die Steigeisen an und ziehen hinauf Richtung Windjoch. Diverse Stirnlampen weisen den Weg und es dauert nicht lange, bis wir diese hinter uns lassen.



Nach exakt einer Stunde erreichen wir das Windjoch, welches seinem Namen gerecht wird. Gemütliche 40km/h Wind peitschen uns dort entgegen und lassen jeden Gedanken an eine kurze Pause verschwinden. Wir folgen der Spur hinab, leicht nach links leitend. Uff, des is steil denk I mir, das hatte ich mir anders vorgestellt. Damian riecht natürlich Lunte und lässt mir am Seil den Vortritt und so meistern wir den kurzen Abschwung zügig.



Im Laufschritt an gestreckter Leine eilen wir in der blauen Stunde dem Selle-Coulouir entgegen welches bereits mit Stirnlampenlicht dekoriert in der Ferne scheint.


Das Seil kommt nun in den Rucksack und in meist bequemer Spur gewinnen wir schnell an Höhe. Unten kommt derweil die Italienische 4er Seilschaft am Coulouiranfang an, welche wir kurz vorher überholt haben. Wie ich später von der Hüttenwirtin erfahren sollte, haben diese am Vorabend noch ausgiebig das Hüttenleben genossen, in der Folge sollten sie nahezu doppelt so lange für die Tour benötigen. Man kann das Risiko auch bewusst in die Höhe treiben…

Wir pickeln uns derweil gemütlich nach oben und erreichen pünktlich zum Sonnenaufgang die Selle auf 3840m. Der Sonnenaufgang ist einer der Spektakulärsten welche ich je erleben durfte. Die aufgehende Sonne taucht den Schnee in rosafarbiges Licht und Damian hat sichtlich Freude für ein paar Schnappschüsse zu posieren.


Nach kurzer Fotosession folgen wir der guten Spur Richtung Dürrenhorn bei gewaltiger Morgenstimmung. Wir nehmen es gmüetlich, dementsprechend bleibt keine Zeit, das Teleobjektiv hier rauszuholen. Bis zum Gipfel des Dirruhorns wechseln sich formschöne Schneegrate mit kurzen Kletterstellen ab, wobei nur eine kurze plattige 3er Stelle festes Zupacken benötigt. Wir passieren einige Seilschaften, laut Damian schauen diese etwas verdutzt ob unserer Stilistik des Bergsteigens drein. Mir entgehen diese Blicke während ich den Steigeisen von Damian hinterher hechle.



Am Dirruhorn machen wir eine kurze Verplfegungspause und ich kann doch noch das Tele aus dem Rucksack holen. Wenn Ichs schon mitschleppe, will Ichs wenigstens einmal benutzen. Gelohnt hat sich’s auf jeden fall…



In der Südwestflanke des Dirruhorns steigen wir weiter und folgen wir bald wieder dem Grat der hier äusserst breit ist und lediglich durch kurze Abkletterpassagen unterbrochen wird. Einmal rutscht mir das Steigeisen weg und ich lande mit dem Oberschenkel unsanft auf einer Platte. Des gibt an blauen Fleck, schnell weiter bevors wehtuat…



Ab dem Dirrujoch folgen kurze schöne Felspassagen bevor wir auf dem formschönen Firngrat dem Hohberghorn entgegenschreiten. Der Gipfelaufschwung sieht giftig aus, doch laut Führer nur ein IIer zu klettern. Und wie so oft entpuppt sich die Kletterei äusserst gutmütig. Allerdings leide ich hier doch recht, die Höhe spüre ich ein wenig und vor allem den leicht angeschlagenen Gesundheitszustand. Einer der Momente, bei denen man sich frägt warum man nicht zuhause auf dem Sofa liegt anstelle nachts um 2 zu so einer Tortour aufzubrechen. Der Blick ringsum beantwortet die Frage zum Glück schnell.



Am Gipfel des Hohberghorns halten wir uns nicht auf und ziehen flugs hinab in Hohbergjoch. Wegen des Oberschenkels und der „Leidenschaft“ im Aufstieg zum Hohberghorn bitte ich Damian, für das letzte Stück kurz anzuseilen. Die Kletterei zum Stecknadelhorn sieht jedoch wiederrum wilder aus, als sie tatsächlich ist und nach unter 5 Stunden stehen wir bereits auf unserem dritten 4000er für heute.




Von hier können wir bereits das Zirkusschauspiel am Nadelhorn beobachten, wo sich derweil „Alpinisten“ wie Ameisen am Gipfelaufstieg tummeln. Damian schimpft zurecht ob der Menschen, welche ohne Vorkenntnisse und mutmasslich ohne grössere Vorbereitung auf solche Gipfel waten. Dennoch machen auch wir uns auf den Weg ins Getümmel. Der formschöne Firngrat hinüber lässt das Gesehene zumindest kurz verblassen.



Trotz guter Spur in der nordseitigen Querung wählen wir die direkte Gratvariante und erreichen bald die Autobahn hinauf zum Nadelhorngipfel. Das Seil packen wir weg, denn leider stehen wir im Stau. Links und rechts der Spur gibt es zum Glück gute Überholmöglichkeiten. Die Anzahl an überforderten Menschen auf Steigeisen ist leider erschreckend, zumindest sind alle mit dem Abstieg beschäftigt während wir am Gipfelkreuz den vierten Viertausender für heute zelebrieren.




Eine lange Pause gönnen wir uns nicht, denn die 6h Marke ist noch nicht überschritten. Somit machen wir uns an den Abstieg, wieder auf der Überholspur fliegen wir förmlich dem Windjoch entgegen und von dort weiter auf den Hohbalmgletscher. Ein letztes Mal seilen wir an und folgen der ausgetretenen Spur, am Ende auf dem Hosenboden hinab zur Mischabelhütte die wir nach genau 6:20 Minuten erreichen. Ziel nicht ganz erreicht, doch das macht das Kraut nicht fett und so schliessen wir die Tour mit den restlichen 300g Kuchen auf der Hüttenterasse gebührend ab. Das Bier gibts erst im Tal.



Tour facts:

9,5 km, 1550 hm, UIAA 3


Material:

Salomon X-Alp 30L Rucksack

Petzl Radline 30m

Petzl Gully

Petzl Altitude Klettergurt

Petzl Eisschraube und Seilbremse

2 Schlingen

1,5l Flüssigkeit

2 Riegel

Petzl Irvis Steigeisen

Glorify G13 Sonnenbrille

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