Nach einigen Wetterkapriolen und erneut ergiebigem Schneefall stellte sich in der zweiten Augustwoche endlich wieder ein stabiles Hochdruckfenster ein mit hohen Temperaturen ein die den Schnee rasch zum schmelzen bringen sollten. Eigentlich ging ich davon aus, dass das Schreckhorn das grande Finale des Projektes 21in21 werden würde, doch die Verhältnisse an der Lenzspitze sahen weniger gut aus und nachdem nur die Schreckhornhütte noch genau 2 freie Plätze bot war der Plan schnell geschmiedet das Schreckhorn als nächstes Gipfelziel auszuwählen. Auch wusste ich, dass es mehrfach begangen worden war in dieser Woche und somit war ich optimistisch, gute Verhältnisse am Berg zu erwischen. Noch mehr freute es mich einmal mehr das Seil mit Tobias zu teilen, welcher nach diversen Abenteuern am Mont Blanc und der Dauphine bereits am Vortag nach Grindelwald gereist war.
Nach der Vormittagssprechtunde in der Arztpraxis machte ich mich mittags ebenfalls auf den Weg ins Berner Oberland und auf den langen aber landschaftlich beeindruckenden Weg zur Schreckhornhütte.
Gegen halb 5 erreiche ich die Hütte und wir geniessen das gewaltige Panorama in vollen Zügen. Die Verhältnisse wirken von der Hütte perfekt und langsam aber sicher kribbelt es im Bauch ob dessen was uns wohl morgen erwarten wird.
Der Abend wir nicht allzu lange denn Tagwache ist bereits um kurz vor 2. Wie üblich schlafe ich nicht sofort ein als wir um 20:30 Uhr im Bett liegen doch etwa eine stunde später befinde ich nicht im tiefen Land der Träume. So auch als ich um 01:50 meinen Wecker als störendes Geräusch identifiziere. Ich reibe mir die Augen und schlafwandlerisch führe ich die übliche Prozedur aus Hüttenschlafsack verräumen, Bett machen und die richtigen Schuhe erwischen aus. Das Frühstück ist kurz und so verlassen wir als erste Seilschaft um 02:15 Uhr die Hütte. Nach dem Abstieg durch die Schutthalde, die ich, so viel ist mir schien jetzt bewusst, beim Rückweg verfluchen würde treten wir bald auf den blanken Gletscher und folgen diesem, einige wenige Spalten überspringend. Hinter uns folgen derweil wie Glühwürmchen viele andere Seilschaften.
Den Durchschlupf hinauf zum Gaag finden wir problemlos und schlängeln uns in endlosen Kehren hinauf auf 3200m. Über uns sind bereits 2 Seilschaften welche biwakiert hatten doch wir holen diese am Gaag bereits ein. Das Tempo hatten wir bewusst für unsere Verhältnisse langsam angelegt. Bei schuttigen Anstiegen ist es umso wichtiger den Rhythmus zu finden und das geht besser langsam als schnell.
Bei guter Firnlage verzichten wir auf Steigeisen und gelangen rasch auf den Gletscher. Gleich zu Beginn begrüsst er uns mit einem grossen Loch mit dünner Brücke und so müssen wir den ersten Satz des Tages hinlegen. Der restliche Weg zum wandfuss ist neben der Spur auf festem Schnee bestens gangbar und so stehen wir nach 02:20 h bereits am Wandfuss. Für den Bergschrund legen wir kurz Steigeisen an und nach diesem auch wieder ab. Das Material ist sortiert und nach 2:40 h folgen wir den Stirnlampen der anderen Seilschaft hinauf. Die erste Platte sieht äusserst glatt aus doch Tobias steigt souverän vor und ich folge im bald darauf. Nach der ersten Plattenstelle folgt nach etwa 15 m eine Traverse nach rechts, teils auf losem Gestein und man tut gut daran vorsichtig zu gehen, Steine landen direkt am Einstieg. Die letzte Querung zum gebohrten Abseilstand empfinde ich als sehr unangenehm und so muss ich mich etwas überwinden auf kleinen Tritten etwas absteigend zu traversieren. Nach dem Stand folgt nochmals eine steilere Platte ehe sich das Gelände zurück legt. Die folgenden plattigen Kletterstellen sind meist gut griffig doch man sollte seine Tritte gut wählen, es ist nicht immer alles fest. Immer mehr folgt man nun einer Rippe wobei sich langsam die blaue Stunde hinter uns ankündigt.
Als die Sonne aufgeht haben wir die Schulter bereits passiert und befinden uns im Gipfelaufstieg. Die Kletterei ist dabei teils steil, doch je weiter man aufsteigt desto schöner ist der Fels und die Kletterei macht Spass. Hier und da gilt es etwas links (west) zu klettern und bald erreichen wir flacheres Gehgelände. Die Kletterei war durchweg ohne Steigeisen möglich gewesen, welch ein Luxus. Mit Steigeisen wird das Ganze eine deutliche Ecke schwerer. Steinschlag haben wir auf der ganzen Route keinen vernommen, heikel ist vor allem der letzte Teil 20m in der Westflanke die zur Gipfelflanke hinauf führt. Sollte jemand oben einen Stein lösen würde er direkt auf der Aufstiegsroute landen. Wir sind zum Glück mit eine der ersten Seilschaften am Gipfel und daher weniger dem Risiko ausgesetzt.
Wir schreiten über einen Firn und Felsgrat in bestem Morgenlicht entgegen und ziehen kurz vor dem Gipfel doch noch die Steigeisen an um einen Firnabstieg sicher zu meistern. Um 07:55 erreichen wir den Gipfel bei unglaublicher Fernsicht. Der Wind, welcher uns im Aufstieg noch teils um die Ohren gepeitscht war ist auf 20 kmh gedrosselt und so lasse ich es mir nicht nehmen noch die Drohne steigen zu lassen.
Die Anspannung lässt noch nicht ab, denn der Abstieg fordert nochmals hohe Konzentration. Mit einem 50 m Seil können wir den oberen Teil an gebohrten Ständen (meist nur ein Haken) jeweils problemlos abseilen. Gegenverkehr lässt sich meist gut regeln bei beidseitiger Umsicht. Erst ab der Schulter hat es keine gebohrten Stände mehr, nur noch Reepschnüre mit Mayo-Rapid daran. Teils müssen wir auch vorsichtig abklettern bis wir auf 3600m den ersten gebohrten Stand der Abseilpiste vorfinden. Nach weiteren Abseilfahrten erreichen wir den vorletzten Abseiler an dem sich unser Seil verhängt. Immerhin kommen von oben bereits 2 weitere Seilschaften die uns unser Seil befreien. So erreichen wir den sicheren Boden und beschliessen den Gletscher als 6er Seilschaft zu queren. Die grosse Spalte lässt sich gut überqueren, auch weil sie durch den Grat zum lauteraarhorn zum vor der Sonne geschützt ist.
Kurz darauf erreichen wir den Gaag und nach kurzem Wegpacken nicht mehr benötigter Dinge machen wir uns an den Abstieg zum Gletscher, dankenswerterweise hat es noch genug Schnee und wir können sicher 200hm auf dem Hosenboden abrutschen. Nach dem
Aussichtsreichen Gang über den aperen Gletscher folgt am Ende noch der schuttige Gegenanstieg hinauf zur Hütte wo bereits das kühle alkoholfreie Bier wartet. Nach kurzer Stärkung treten wir dann den langen aber wunderschönen Rückweg nach Grindelwald an, der mich, wie beim letzten Mal viel Kraft am Ende kostet. Ein letzter Blick zurück zum Schreckhorn, herzlichen Dank gesagt und irgendwann erreiche ich mein Auto und die kühle Cola im Kühlschrank.
Fazit:
Eine tolle kombinierte Tour deren Crux aus meiner Sicht am Einstieg liegt. Wer dieses Gelände gut meistert wird weiter oben kein Problem haben. Ein 50er Seil macht Sinn, mit 3 Camalots 0.5-1.0 sind wir problemlos durchgekommen. Man sollte jedoch in der Lage sein am laufenden Seil zu gehen, sonst wird es ein langes Unterfangen und ich wollte nicht Nachmittags um 3 diesen Gletscher betreten.
Ausrüstung (Auszug)
50m einfachseil
Scarpa ribelle Tech 2.0
3 Camalots 0.5-1.0
Abseilgerät
Helm!
Cooler Blog mit wunderschönen Fotos. Wir waren am gleichen Tag wie ihr auf der gleichen Tour. Waren ja wirklich superschöne Verhältnisse. Gruss Simon L.